Mailing 37/2003 vom 02.11.2003

Froschart aus der Dinosaurier-Ära hüpft noch durch indische Berge

London/Mainz (dpa) - Das urtümliche Tier mit einem aufgedunsenen Körper und einer spitzen Schnauze «unterscheidet sich auffallend von allen anderen heute lebenden Fröschen», wie das indisch-belgische Entdeckerteam im britischen Fachjournal «Nature» (Bd. 425, S. 711) berichtet. Erstmals seit 1926 begründe damit die Entdeckung einer neuen Art eine neue biologische Familie der Froschlurche, heißt es in einem «Nature»-Kommentar, der von einem «Jahrhundertfund» spricht.

Der etwa sieben Zentimeter große Frosch ist violett-schwarz- gefärbt und hat eine glatte Haut. Sein kleiner Kopf mit winzigen Augen mündet in einer spitzen Schnauze, die an einen Maulwurf erinnert. Tatsächlich gehört er zur Gruppe der grabenden Frösche, die sich ins lockere Erdreich wühlen. So besitzt er nur ansatzweise mit Schwimmhäuten ausgerüstete Hände und Füße mit vergleichsweise kräftigen Fingern und Zehen. Seine Entdecker, der Inder S. D. Biju und der Belgier Franky Bossuyt von der Freien Universität Brüssel, schätzen das Alter der Art auf rund 130 Millionen Jahre.

Es handelt sich damit zwar nicht um die älteste bekannte Froschart, aber um einen der letzten Vertreter jener Sorte moderner Frösche, die schon um die Füße der Dinosaurier hüpften, wie «Nature» schreibt. Noch älter sind etwa die Urfrösche (Archaeobatrachia), von denen es heute auch Arten in Mitteleuropa gibt.

«Die neue Froschfamilie ist am nächsten mit Fröschen von den Seychellen verwandt», erläuterte der Mainzer Froschforscher Stefan Lötters von der Deutschen Gesellschaft für Herpetologie. Das Archipel ist 3000 Kilometer von Indien entfernt. «Es handelt sich für die Amphibien um den ersten und daher äußerst interessanten Beleg, der eindeutig für eine Verbindung zwischen Indien und den Seychellen spricht.» Der Amsterdamer Froschforscher Miguel Vences beurteilte den Fund als «eine ganz außergewöhnliche Entdeckung». Vences' Team hatte kürzlich im Biologie-Journal «Proceedings» der Londoner Royal Society berichtet, dass bestimmte Amphibien anders als gedacht doch das Meer überqueren können.

Indien, das als «Wiege der modernen Frösche» gilt, war vor rund 130 Millionen Jahren vom Urkontinent Gondwana abgebrochen und rund 74 Millionen Jahre später mit Asien kollidiert. Vor etwa 65 Millionen Jahren trennten sich die heutigen Seychellen von der indischen Landmasse. Einer früheren genetischen Studie von Bossuyt zufolge haben sich die meisten modernen Gattungen während der Drift des indischen Subkontinents entwickelt. Nach der Kollision mit Asien breiteten sich die Amphibien demnach über die ganze Welt aus.

Der neuen Art gaben die Zoologen den wissenschaftlichen Namen Nasikabatrachus sahyadrensis, nach dem Sanskrit-Ausdruck für Nase und einem Synonym für die Westlichen Ghats (Bergkette an Indiens Westküste). Übersetzt bedeutet der Name also etwa «Nasenfrosch aus den Westlichen Ghats». Die Region gilt als einer von acht weltweiten Brennpunkten des Artenreichtums, betont der Biologe S. Blair Hedges in «Nature». Viele der dort lebenden Arten kämen nirgendwo sonst vor. Der Mensch habe allerdings die tropischen Wälder der Region weitgehend vernichtet. Für die Biologen bedeute die Suche nach neuen Arten dort daher ein Rennen gegen die Zeit.

Quelle: www.vistaverde.de/news/Natur/0310/15_frosch.htm